Pro
- Extrem leicht & sehr agil
- Innovatives Design & nachhaltige Materialien
- Hoher Gehkomfort bei einfachen Bedingungen
- Gute Wendigkeit im Wald & auf engen Pfaden
- Hergestellt in Frankreich
- Positiver & offener Umgang des Herstellers mit Kritik
Kontra
- Probleme mit der Fidlock-Bindung
- Eingeschränkter Grip bei eisigen Querungen
- Kompatibilitätsprobleme mit bestimmten Schuhen
- Unsicherheitsfaktor unter extremen Bedingungen


Ich bin leidenschaftlicher Tourengeher und habe, wenn ich ganz ehrlich bin, lange Zeit Schneeschuhwanderer etwas belächelt, weil ihnen einfach der Spaß an der Abfahrt abhandenkommt. In den letzten Jahren waren die Winter hier in den Bergen jedoch auch etwas bescheidener, und die Skier haben immer mehr Steinkontakt bekommen. Da wurde das Thema Schneeschuhwandern für mich auf einmal interessant, und ich habe einige Touren mit verschiedenen geliehenen Schneeschuhen unternehmen dürfen und deren Vorzüge erkennen können. Vor allem wenn die Schneelage eher bescheiden ist oder die Tour durch dichte Wälder oder anderes Gelände verläuft, wo man mit Skiern schnell ein Problem hat. Gerade auf Mehrtagestouren in flacherem Gelände habe ich meine Freude daran gefunden.
Umso spannender war es, als ich die Nachricht bekam, ob ich nicht die Nordee-Schneeschuhe aus dem Hause Evvo testen möchte. Der Name sagte mir bisher nichts, und die Firma ist auch noch relativ jung. Seit dem Jahr 2017 mischt Evvo aus Frankreich den Schneeschuhmarkt jedoch ordentlich auf und fällt mit neuen Ansätzen und frischen Designs auf jeden Fall auf. Laut Evvo wird dabei alles in Frankreich hergestellt, was heutzutage schon eine echte Ausnahme ist. Daneben setzt das Unternehmen auf einen hohen Recycling-Anteil sowie Komponenten aus biologischem Ursprung. Das finde ich definitiv bemerkenswert und auch sehr lobenswert.
Genau wie bei ihren anderen Modellen setzt auch der Nordee neue Maßstäbe. Schon allein von der Optik unterscheidet sich dieser Schneeschuh von gefühlt 99 % aller anderen am Markt erhältlichen Produkte. Aber bevor wir auf den ersten Eindruck des Nordee eingehen, hier einige Details:
Gewicht: 550 g
Breite: 195 mm
Grip: 10 Carbid-Icespikes, 2 Frontspikes
Schnürung: aus Bio-Dyneema mit Fidlock-Bindung
Material: 60 % recycelte oder biobasierte Materialien
Besonderheit: 100 % reparierbar


Erster Eindruck
Die Schneeschuhe kommen in einem praktischen Packsack in einer auffälligen Farbe daher. Was sofort auffällt, ist das geringe Gewicht. Im Vergleich zu anderen getesteten Schneeschuhen wiegen die Nordee gefühlt ein Drittel, und das erfreute mich natürlich sofort. Außerdem sind die Schneeschuhe sehr schmal.
Hinter der Bindung hat der Nordee ein virtuelles Gelenk, das für hohen Gehkomfort sorgen soll. Außerdem wurde das Gehprofil laut Evvo mit Orthopäden entwickelt, um einem Problem entgegenzuwirken, das viele andere Schneeschuhe haben: eine unnatürliche Gangart. Die von mir bisher getesteten Modelle waren alle viel breiter und auch viel steifer, was oft zu einem eher breitbeinigen und unangenehmen Gang geführt hat. Umso gespannter war ich, die Nordee mit diesen gegensätzlichen Eigenschaften zu testen.
Auf der Unterseite bietet der Nordee mehrere Spikes, die für Grip auf hartem Untergrund sorgen sollen. Echte Harscheisen wie bei anderen Modellen gibt es jedoch nicht. Harscheisen bieten oft eine größere Auflagefläche und die Möglichkeit, tiefer in den Harsch oder das Eis einzudringen, als es die verhältnismäßig kleinen Spikes der Nordee können. Aber es wird sich im Praxistest zeigen, wie gut das System funktioniert.
Insgesamt fällt auf, dass der Schneeschuh sehr flexibel ist und sich auch mit der Hand leicht verformen lässt. Laut Evvo soll auch dies den Komfort beim Gehen deutlich verbessern.
Nun kommen wir zur Bindung der Nordee aus dem Hause Fidlock. Diese macht einen innovativen Eindruck. Es gibt zwei magnetische, runde Spanner, die die umlaufende Schnürung auf Spannung bringen. Diese werden zuerst per Hand festgezogen und anschließend so lange gedreht, bis die gewünschte Spannung erreicht ist. Die Schnürung wird dabei sehr oft umgelenkt und muss einige Widerstände überwinden, um die Spannung wirklich an alle gewünschten Punkte bringen zu können. Ich hatte so meine Zweifel, ob dies gut funktionieren kann. Denn wer kennt es nicht von seinen Bergschuhen: Wenn man einfach nur an den Schnüren zieht, wird der Schuh zwar oben fest, aber im unteren Bereich bleibt die Schnürung locker. Durch die Bewegung verteilt sich die Spannung mit der Zeit, und die Schnürung wird dadurch wieder lockerer.
Beim Anziehen geht man laut Evvo wie folgt vor:
- Man öffnet den Schuh komplett und zieht auch den Hinterteil maximal nach hinten.
- Dann kommt der Fuß hinein, man achtet darauf, dass man vorne ansteht, und schiebt anschließend den Hinterteil an die Ferse.
- Nun soll man mit ca. 3 kg Druck mit der Hand die Schnürung spannen, anschließend die Fidlock-Magnete befestigen und diese so lange drehen, bis die Schnürung fest ist.
Dazu gibt es von Evvo auch ein Video, aber ich hatte das Problem, dass ich die Vorspannung per Hand nicht auf das Fidlock-System übertragen konnte. Auch im Anleitungsvideo ist an der genannten Stelle ein Schnitt, sodass man diesen Prozess nicht genau erkennen kann. Nach einer Rücksprache mit Evvo wurde mir mitgeteilt, dass man kontinuierlich an der Verbesserung arbeite und sich über Feedback freue. Außerdem wurde mir geraten, die Fidlock-Spanner nach einigen Metern nachzuspannen, um auftretende Lockerungen im System wieder zu beheben.
So viel vorab. Zum Glück kam dann auch der erste Schnee in die niederen Lagen, und ich konnte die ersten Testtouren mit den Evvo Nordee machen.




Im Einsatz
Bei der ersten Tour ging es einen ganz gemütlichen Berg hinauf, bestehend aus Wiesenhängen mit ca. 20 cm Neuschnee. Getragen habe ich dabei meine AKU Rock Mid mit Gamaschen. Die Schuhe haben sehr gut mit dem Bindungssystem gepasst, auch wenn mir die Spannung gefühlt etwas zu gering war. Die Schneeschuhe sind wirklich sehr angenehm zu gehen. Durch das schmale Profil muss man nicht breitbeinig gehen, und man steigt sich auch nicht andauernd auf die eigenen Schneeschuhe. Insgesamt kann man sehr schnell gehen, weil man einfach nicht das Gefühl von Betonfüßen hat und das Design eine sehr agile Bewegungsmöglichkeit bietet. Das wurde auch bei der ersten Tour durch einen dichten Wald bemerkbar. Selbst in beengtem Terrain ist man mit den Nordee sehr wendig. In so einem Gelände wäre das Vorankommen mit Tourenskiern unvorstellbar.
Den Auftrieb konnte man bei den ersten Touren nicht wirklich beurteilen, weil die Schneelage einfach zu niedrig war und man meistens bis auf den Boden durchkam. Erst bei einer Tour in höhere Lagen konnte ich mir davon ein Urteil bilden.
Insgesamt waren die ersten Touren allesamt in niedrigeren Lagen und eher einfach. Der untere Bereich war manchmal sogar schneefrei, und dennoch hatte man mit den Spikes sehr guten Grip auf dem Waldboden.
Ich habe die Schneeschuhe mit mehreren unterschiedlichen Schuhen getestet – alle hatten jedoch eine vorstehende Sohle im Fersenbereich, die sich gut unter den Halterungen der Bindung einhakte. Das sollte noch relevant für meine Abschlusstesttour werden.
Nach den kleineren Touren kam endlich eine größere Menge Neuschnee und niedrige Temperaturen. Diese Gelegenheit wollte ich nutzen, um die Evvo Nordee unter raueren Bedingungen bei einer mehrtägigen Biwaktour zu testen.
Für diese Tour habe ich mich aufgrund der gemeldeten -20 °C für meine gefütterten Lederbergschuhe entschieden. Diese hatte ich zuvor nicht mit den Evvo Nordee getestet – und das sollte zum Problem werden.
Die Tour startete mit einem großen Rucksack samt Biwakausrüstung für die kalten Temperaturen. Im Tal lagen ca. 30 cm Schnee. Nach einer längeren Anreise mit dem Rad folgte ein Zustieg von ca. zwei Stunden auf einer Forststraße ohne Schneeschuhe, bevor ich die Evvo Nordee zum Aufstieg anlegte.
Gleich beim Einsteigen in die Schneeschuhe ist mir plötzlich das Gegenstück der Fidlock-Magnete in der Bindung verloren gegangen. Dieses kleine Teil wird in der Bindung eingeclipst und hatte sich aus irgendeinem Grund gelöst – beinahe wäre es mir in den Schnee gefallen. Das hätte die Tour schon frühzeitig beendet. Doch nun konnte es losgehen, und ich merkte schnell, dass ich mit diesen Schuhen aufgrund der Fersenform keinen guten Halt hatte. Trotz maximal gespannten Schneeschuhen war die Ferse leider immer etwas locker und rutschte in der Bindung auf und ab. Das führte dazu, dass sich mit der Zeit Schnee unter der Ferse sammelte und der Schuh irgendwann aus der Bindung herausrutschte.
Leider trat dieses Problem immer wieder auf und erschwerte den Aufstieg erheblich.
Das Gelände änderte sich schnell, und der Untergrund wurde härter. Die Spikes leisteten dabei sehr gute Arbeit – solange man in einer geraden Linie bergauf ging. Sobald man jedoch einen Hang queren musste, wurde der Grip auf eisigem Untergrund schnell problematisch. Die Schneeschuhe begannen sehr schnell zu rutschen. Bei anderen Modellen mit breiten Harscheisen hatte ich dieses Problem in diesem Ausmaß nicht.
Ich kam schließlich zu einer Schlüsselstelle: eine sehr steile, vereiste Hangquerung oberhalb einer Felswand, wo man sich auf das Material verlassen können muss. Hier musste ich die Schuhe mit viel Kraft durch die Harschdecke treten, um mir Tritte zu schaffen. Die Nordee sind sehr flexibel, wodurch ich Sorge hatte, dass hier etwas kaputtgehen könnte. Doch durch die Position des Fußes weit vorne auf dem Schneeschuh und die Form der Kante ließ sich der Nordee gut durch die Harschdecke treten. Leider löste sich genau an dieser Stelle wieder meine Ferse aus dem Schneeschuh.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich aufgrund der Probleme mit der Bindung bereits sehr viel Zeit verloren. Es war nur noch eine halbe Stunde hell – mir wurde klar, dass ich mein geplantes Biwak nicht mehr erreichen würde und das Weitergehen bei diesen Verhältnissen in der Nacht zu gefährlich wäre.
Als wäre das nicht genug, sammelte sich aufgrund der extrem kalten Bedingungen Eis im Fidlock-System. Dadurch ließ sich das System gar nicht mehr befestigen. Zwar kann man den runden Spanner im Inneren mit einem Schneestock ausputzen, doch das Gegenstück zu reinigen ist schwieriger. Selbst wenn man das Eis größtenteils entfernt, merkt man, dass schon eine kleine Menge ausreicht, um die Haltekraft des Magneten erheblich zu reduzieren. Dadurch hebt sich der Spanner beim Drehen manchmal einfach von selbst ab, und man hat wieder ein loses System in der Hand.
Die Situation wurde nun richtig ungemütlich. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit hatte ich die letzten wertvollen Minuten mit den Bindungsproblemen vergeudet – es musste schnell eine Lösung her. Also ignorierte ich das Fidlock-System und band stattdessen mit den Dyneema-Schnüren eine feste Masche. Dadurch konnte ich auch mehr Spannung in das System bringen, was mir deutlich besser gefiel als die geringe Spannung des Fidlock-Systems. So konnte ich die Schlüsselstelle endlich passieren und fand glücklicherweise gleich einen geeigneten Platz für mein Nachtlager.
Mit dem Schlafplatz aufgebaut, einer warmen Mahlzeit auf dem Kocher und kalten Füßen im Daunenschlafsack reflektierte ich die Situation. Tatsächlich war das nicht ungefährlich gewesen, und ich merkte, dass mein Vertrauen in die Evvo Nordee (in Kombination mit meinen Schuhen) nicht mehr vorhanden war. Schneeschuhe sind jedoch Teil der Sicherheitsausrüstung – auf sie muss ich mich verlassen können, sonst kann es schnell problematisch werden. Ich muss aber betonen, dass meine getragenen Stiefel bereits mit anderen Schneeschuhen getestet wurden. Deshalb hatte ich mir keine Gedanken gemacht, und natürlich hatte ich sie zu Hause mit den Nordee anprobiert – aber die Probleme traten eben erst im Praxiseinsatz auf.
Insgesamt ist mir das Fidlock-System nach dieser Erfahrung einfach zu unzuverlässig. Es ist definitiv innovativ, aber es muss gerade unter widrigen Verhältnissen zuverlässig funktionieren – und genau dort konnte ich mich nicht darauf verlassen. Das System ist mir persönlich zu anfällig und bietet mir zu wenig Halt im Schneeschuh. Erst mit einer festen Masche und einer Vorspannung von deutlich über 3 kg erreichte ich eine Spannung, mit der ich mich im Schneeschuh wohlfühlte.
Über Nacht blieben die Schneeschuhe natürlich draußen, und am nächsten Morgen war das vereiste Fidlock-System erneut das Problem Nummer eins. Nach einem Gipfelaufstieg ohne Rucksack wurde mir klar, dass ich meine Tour nicht wie geplant fortsetzen konnte, sondern wieder absteigen musste. Mit dem großen Rucksack war es zudem immer wieder eine Herausforderung, an die Schneeschuhe heranzukommen. Sobald es die Schneelage erlaubte, zog ich sie aus und verstaute sie im Packsack. Dieser ließ sich perfekt am Rucksack befestigen – und so trug ich die Nordee wieder ins Tal.
Zum Thema Auftrieb möchte ich noch erwähnen, dass ich bei einer Harschdecke einige Male das Problem hatte, dass ich durch diese durchbrach und sich dann das virtuelle Gelenk in einem sehr steilen Winkel abknickte. Dadurch konnte es nicht nur keinen Auftrieb mehr gewährleisten, sondern übte auch einen sehr unangenehmen Druck auf die Ferse aus. Für mein Gefühl ist die Kraftübertragung vom beweglichen Hinterteil zum Vorderteil zu gering.





Fazit
Insgesamt möchte ich über die Nordee Folgendes sagen: Sie sind definitiv eine innovative Herangehensweise an das Thema Schneeschuhe, das bei den meisten Herstellern sehr ähnlich umgesetzt wird. Evvo hat hier ein Produktdesign geschaffen, das wirklich Maßstäbe setzen kann. Aber wie es oft bei Innovationen der Fall ist, ist nicht alles von Anfang an perfekt.
Der Nordee ist außergewöhnlich leicht, sehr wendig und ermöglicht eine hohe Agilität. In einfacheren Bedingungen funktioniert das System bereits gut. Unter widrigen Verhältnissen und in puncto Kompatibilität gibt es jedoch definitiv noch Spielraum für Verbesserungen.
Besonders erwähnenswert finde ich den Umgang von Evvo mit der Kritik an den Nordee. Nachdem ich den Hersteller über meine Erlebnisse informiert hatte, erhielt ich eine wertschätzende und interessierte Rückmeldung. Das hat mir gezeigt, dass man tatsächlich Erfahrungen sammeln und ein Top-Produkt erschaffen möchte. Das ist alles andere als selbstverständlich – und meiner Meinung nach der einzige Weg, um ein Produkt zu entwickeln, das das Potenzial hat, den Markt nachhaltig zu verändern. Und dieses Potenzial hat der Nordee auf jeden Fall.
Bei meinen Tests wurden Erinnerungen an das erste Modell der Vipec-Skitourenbindung wach. Damals hatte ich das Problem, dass sich die Bindung bei einer Spitzkehre mit zu viel Druck einfach öffnete – was dazu führte, dass ich meine Tour nicht wie geplant beenden konnte. Ähnliches erlebte ich mit der Karakoram-Splitboardbindung: ein innovatives Produkt, das auf dem Papier wunderbar funktionierte, in der Praxis aber bei -10 °C und Schneesturm auf dem Berggipfel enteist werden musste. Denn oft zeigt sich erst unter extremen Bedingungen, ob ein System wirklich zuverlässig ist.
Aber wo gehobelt wird, fallen Späne – und wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie die Entwicklung bei Evvo weitergeht, und wünsche
dem Unternehmen viel Erfolg auf seinem Weg, den Schneeschuhmarkt ordentlich aufzumischen. Aufgrund dieser selbstreflektierten Haltung und dem Willen ein Top-Produkt zu erschaffen verdient der
Nordee auch 4 von 5 Punkten und ich jetzt schon gespannt auf die Nachfolgeversion.

Vielen Dank an das Team von Outsidestories für die Zurverfügungstellung der Schneeschuhe.
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